Leben im Funkloch
Flucht aus Deutschland
DNA Strasbourg, 03.01.2012, Region
http://www.dna.fr/edition-de-saint-louis-altkirch/2012/01/03/malade-des-ondes
Sundgau
Er lebt seit mehr als 15 Jahren draußen
Krank von den Wellen
Elektrohypersensibilität, EHS. Es geht um einen Menschen, den elektromagnetische Wellen krank machen, Matthias Moser.
Dieser 42-jährige Deutsche, ein ehemaliger Lehrer, lebt unter einer Plane in der Region Dannemarie, eine der letzten Gegenden, in denen die Strahlung für ihn auszuhalten ist.
Seine Geschichte ist ungewöhnlich und schwer nachprüfbar. Aber eines ist sicher: Matthias Moser hat 12 Jahre Qual in Deutschland hinter sich und schläft seit sieben Jahren draußen im Elsass, auf der Suche nach Zonen, die „weiß“ genannt werden, d.h. Umgebungen, die relativ verschont sind von elektromagnetischer Strahlung, die von Hochspannungsleitungen, Handy-Sendemasten und anderen Sendemasten von Radio und Fernsehen ausgeht. An dem Ort in Dannemarie, wo Matthias Moser seit einigen Monaten unter einer Plane schläft, ist diese kaum vorhanden.
Weltraumteleskop schafft “Quiet Zone” für Elektrosensible
Den Elektrosensiblen in den USA kommt jetzt ein glücklicher Umstand aus der Wissenschaft zu Hilfe. Zwischen Lexington und Buena Vista im Bundesstaat West Virginia steht ein Radioteleskop, welches Funksignale aus dem Weltraum empfängt. Um diese äußerst schwachen Signale empfangen zu können, dürfen im Umkreis von 10 Meilen keine anderen Sendeanlagen bestehen. In diesem Bereich ist also ein absolutes Funkloch, ohne Radio-, Fernseh-, oder Handysignale. Für die immer größer werdende Gruppe der Elektrosensiblen, die in Deutschland nach offiziellen Angabe bereits 9,8% der Bevölkerung ausmacht, ist ein solches staatlich geschütztes Gebiet ein echter Segen. Dort ist es den Betroffenen möglich, beschwerdefrei zu leben und einem der Normalbevölkerung ähnlichen Lebensstil nachzugehen. Hierzulande läuft der Kampf um ein solches Gebiet noch auf Hochtouren. Dazu empfehle ich den aktuellen Beitrag von SWR2 “Der Kampf um das letzte Funkloch“ und von D-Radio Kultur “Auf der Flucht: Elektrosensible in Deutschland”.
Weitere interessante Beiträge zu diesem Thema unter https://ul-we.de/category/faq/berichte-von-betroffenen/
D-Radio Kultur “Auf der Flucht: Elektrosensible in Deutschland”
SWR2 Feature: Menschen, Masten und Mobilfunk
Der Kampf ums letzte Funkloch
Von Christine Werner
Land unter im Funkloch
Kaum war die erste Frostperiode überstanden, kam die nächste Herausforderung: Schneeschmelze und Dauerregen ließen das Wasser nur so den Hang herabfließen, sodass ein neu entstandener Bach fast zur Tür hinein in den Wohnwagen geflossen wäre. Dieser stand wegen der am alten Standort neu aufgetretenen Tetra-Strahlung in einem noch engeren, noch dunkleren und noch feuchteren Tal, und nur über Bretter ließ er sich halbwegs trockenen Fußes betreten. Robustes Schuhwerk war dennoch nötig, da überall um den Wohnwagen herum nur noch Matsch war. Weil auch der Hang abzurutschen drohte, war ein schnelles Eingreifen erforderlich: Der Wohnwagen musste raus! Zunächst musste innen alles gesichert werden, dann wurde es richtig spannend: Würden wir es schaffen, den Wohnwagen um Bäume und Steine herum durch den tiefen Matsch auf die Straße zu bekommen? Zunächst konnte er mit der Fernbedienung ein Stück gedreht und gefahren werden, aber dann hing er fest. Mit Ziehen und Schieben bewegten wir ihn zu zweit so, dass er von der Fernbedienung weiter gesteuert werden konnte. Inzwischen hatte es wieder angefangen heftig zu regnen. Dann musste noch das Auto gedreht werden: 300 m im Rückwärtsgang um zahlreiche Hindernisse bis zur Straße, im Rückwärtsgang alles wieder hoch. Kleinere Schäden am Auto ließen sich dabei nicht vermeiden. Mit großen Kraftanstrengungen konnte der Wohnwagen schließlich angekoppelt werden. Der Weg bis zur Straße ging dann besser als erwartet. Dennoch waren wir froh, als der Wohnwagen an einem sichereren Standort angekommen war und wir endlich die völlig durchweichte Kleidung wechseln konnten.
Leben im Funkloch: Ein Besucher berichtet
Im Oktober 2010 habe ich Uli zum ersten mal „daheim“ besucht, als ich eine Ferienwohnung in der Nähe angemietet hatte. Das Wetter war bombig, wir waren viel draußen, haben Holz gehackt und einige Dinge erledigt, die anstanden. In Urlaubsstimmung und bei Sonnenschein wirkte das Leben im Wald ganz beschaulich.
Als Uli mich im November anruft, ob ich Zeit hätte, ihn von Bayern in den Schwarzwald zu begleiten, um wieder ein paar Tage dort zu bleiben, sage ich zu. Wir kommen gegen 3.00 Uhr morgens bei seinem Wohnwagen an. Die Batterie hat nicht genug Spannung gehabt und ist ausgegangen, so dass auch die Heizung nicht funktioniert. Die Temperatur beträgt 5 Grad; wir können den Atem sehen. Als erstes müssen wir mein Auto laufen lassen, um mit der Autobatterie die Wohnwagenbatterie wieder in Form zu bringen. Als wir mein Bett machen wollen, sehen wir die nächste ungute Überraschung: Müslinester! Der nähere Blick zeigt eine Menge Mäuseköttel, jede Menge angenagter Lebensmittelpackungen und erstaunlich viel Milchreis in Ulis Wäsche. Die Mäuse haben 2/3 einer Milchreispackung als einzelne Körner umgezogen. Als ich mich zum Schlafen hinlege, habe ich Füße wie Eisklötze.
Weitere böse Überraschung: Der Wohnwagen steht nicht mehr funkfrei, wir haben beide Beschwerden, das Messgerät zeigt Signale mit der TETRA-Frequenz. Wir ziehen 2 km weiter in eine eher düstere Schlucht, es ist ziemlich schwer, den Wohnwagen dort halbwegs gerade zu stellen. Bei Novembertemperaturen ist es mühsam, Wasser bei der nächsten Quelle zu holen, und den Tank aufzufüllen. Die Solarzellen, die im Oktober noch gut ausgereicht haben, sind im Winter für die Stromgewinnung ungeeignet, da die Sonne nicht mehr in die Täler kommt. Uli hat für den Bach, neben dem der Wohnwagen jetzt steht, keine passende Wasserturbine, und ich hole bei der Tankstelle Treibstoff für ein Stromaggregat.
Rund um den Wohnwagen ist alles schlammig, und ich bin heilfroh, dass ich als Ponybesitzer Gummistiefel im Auto habe. Ständig ist man dran, den immer in den Wohnwagen hereingetragenen Dreck wieder hinaus zu schaffen. Als Uli dann aber seine Gummistiefel draußen stehen lässt, regnet es prompt hinein.
Dass jeder Liter Duschwasser im Kanister angeschleppt werden muss, lässt einen sparsam duschen. Auch das Propangas wird von Freunden gebracht und wir heizen entsprechend vorausschauend und sparsam.
Nix Idylle. Höchste Zeit, dass wir in Deutschland einen Minderheitenschutz bekommen und wieder wie normale Menschen leben können.