Nachruf von Klaus Scheidsteger
Tod eines Forschungsreisenden
Mein Freund Hans-Cristoph Scheiner ist tot. Am Abend des 13. Juni erlag er im Uni-Klinikum München-Großhadern seinem Herzleiden. Die Menschen, die ihm verbunden waren, wussten um seinen jahrelangen Kampf, dennoch fällt es allen schwer seinen Fortgang zu begreifen.
Ein wenig muss ich mit ihm schimpfen, denn Hans war sich selbst ein schlechter Arzt. Tag und Nacht, an sieben Tagen in der Woche war er für seine Patienten da. Sie waren ihm wichtiger als seine eigene Gesundheit. Immer wieder hatte er seinen Freunden versprochen kürzer zu treten, doch so richtig bekam er das nie hin. Zu sehr lag ihm das Leid der Anderen am Herzen, um seinem eigenen Rechnung zu tragen. Wohl eine Charaktereigenschaft von Ausnahme-Medizinern…
Hans verstand sich als ein ganzheitlicher Arzt, als ein Umweltmediziner der den tatsächlichen Ursachen einer Krankheit auf die Spur kommen wollte. Bereits in den achtziger Jahren verließ er zunehmend das Feld der Schulmedizin. Wiewohl Hausarzt im klassischen Sinne der persönlichen Zuwendung, war ihm das zunehmend unmenschlich anmutende Gesundheitssystem ein Greul. Das schnelle Geschäft als Rezeptverordner war sein Ding nicht. Hans lernte die Naturheilkunde, die Homöopathie, die Akupunktur die Ohrakupunktur, die EAV und so weiter und so weiter. Ganz im Sinne der Bescheidenheit des Sokrates: „Ich weiß, dass ich nichts weiß!“
Immer auf der Suche nach den Ursachen entdeckte er sehr früh die Gefahren des Mobilfunks. Im Laufe der Jahre wurde seine familiär geführte Praxis mit seiner wunderbaren Frau Ana an seiner Seite zur Pilgerstätte elektrosensibler Menschen. Zunächst kamen sie aus allen Teilen Deutschlands, zuletzt aus der ganzen Welt! Und natürlich war seine Praxis auch sein Zuhause, wie sollte es anders gehen? Alles unter einem Dach, immer volles Haus bei Hans und Ana. Im Kellergeschoß standen oft das Bett und die Schaltzentrale von Uli Weiner, während auf der anderen Seite des Raumes die kleine Partei den Aufbruch probte. In der Küche beruhigte Ana den fünfhundertsten mobilfunkgeschädigten Anrufer an diesem Tag, im Wohnzimmer tagte der internationale Verein für die Eingliederung der Elektrosensiblen in die Amerikanische Verbrauchersammelklage und Ursula ratterte das Scheiner‘sche Gutachten in den Computer, dass Hans in der Nacht geschrieben hatte. Der ganz normale tägliche Wahnsinn bei Scheiners in Obermenzing…
Wenn er dann mal Urlaub hatte zog es ihn an den Plattensee, dort konnte er prima schreiben, an einem Buch, einem Exposé, einem Gutachten für die Franzosen. Er hätte es sich leichter machen können, im Liegestuhl am Balaton, aber nein, man müsste ja am Ball bleiben und den unbeirrbaren, mutigen Kampf gegen die übermächtige Mobilfunklobby weiter führen. Mensch Hans, ich muss mit Dir schimpfen! Von Life-Work-Balance wohl noch nie was gehört?
Musizieren wollte er noch und vielleicht eines Tages ein kleines Konzert arrangieren mit dem Kollegen George Carlo, dem anderen Workaholic auf der anderen Seite des Teiches, der von Washington D.C. aus die Strippen zieht und schon im nächsten Jahr die Früchte der Beharrlichkeit ernten wird. Hinter den Kulissen spitzt sich der juristische Kampf zu und der mutige Richter Franklin Burgess am D.C. Superior Court hat sogar den Anklagepunkt der Konspiration, der Verschwörung anerkannt und die Mobilfunkindustrie darauf hingewiesen, dass sie es doch waren, die weltweit den technischen Standard, das Design, die Richtwerte gemeinschaftlich festgelegt haben. Hans Scheiner wird erst postmortal die Früchte dafür ernten, dass er auch an diesem internationalen Projekt mitgearbeitet hat. Auch George Carlo hat einen Freund verloren, er schreibt:
„Hans war ein wunderbarer Mensch der jeden berührte, den er traf. Er war ein brillanter und zur gleichen Zeit zugänglicher Mensch. Meine Frau Laurie und ich werden immer einen Platz in unserem Herzen für ihn behalten, mit den besten Erinnerungen an seine persönliche Liebenswürdigkeit. Hans hinterlässt ein Vermächtnis all denen zu helfen die krank sind und mit anderen Dingen zu kämpfen haben. Die Welt wird ihn vermissen aber seine Beiträge und sein Vorbild leben weiter. Er hat ein erfülltes Leben geführt.“
In seinem Buch: „Mobilfunk-die verkaufte Gesundheit“ hatte Hans akribisch den Stand der internationalen Forschung nachgezeichnet und analysiert. Das im Jahre 2006 erschienene Werk hatte zum Zweck, Zitat: „Bürgerinnen und Bürger die entsprechende Kompetenz und Argumentationshilfe an die Hand zu geben, sich zu wehren. Politiker wachzurütteln, diesem öffentlichen Blindekuh spielen, dieser Beihilfe zur fahrlässigen Körperverletzung und Tötung durch Mobilfunk und sonstige Hochfrequenzen ein Ende zu bereiten.“ Das Buch, das als Co-Autor auch Ana Scheiner an Bord hatte, eröffnet mit einer Widmung und einem Nachruf auf den Umwelt-Physiker und mobilfunk-kritischen Pionier Prof. Dr. Neil Cherry, Neuseeland, von dem Hans so begeistert war, weil Neil Cherry den Mut gehabt hatte, juristisch gegen die WHO wegen deren extrem hohen Grenzwertsetzung vorzugehen. Nur acht Wochen vor Cherrys Tod hatten Hans und Ana den Forscher in Neuseeland besucht und interviewt. Ich darf mir ein Plagiat erlauben und die Worte die Hans für Cherry fand eins zu eins übernehmen: „Lieber Hans, wir danken Dir von Herzen für Dein Lebenswerk. Die Segenswünsche der Menschen auf der ganzen Welt, denen Du so selbstlos geholfen hast, werden Dich auch auf der anderen Seite des Daseins erreichen!
Klaus Scheidsteger
München, den 15.6.2012
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